STAATSPREIS 2019 KLEIDUNG & TEXTIL
BEGRÜNDUNG
VON DER BLAUEN BLUME
Der konzeptionelle Ansatz der Arbeit „Von der blauen Blume“ untersucht die vielfältigen Facetten der Leinengewinnung und der Leinenverarbeitung.
Erst in den letzten Jahren gewinnt die fast vollständig in Vergessenheit geratene Leinenfaser für die Textilindustrie insbesondere im Luxussegment wieder zunehmend an Bedeutung. Zeitgleich werden alte Anbaugebiete auch in osteuropäischen Regionen vermehrt rekultiviert. Veränderte klimatische und ökologische Bedingungen erfordern die Entwicklung neuer Anbau- und Verarbeitungstechniken.
Das Projekt „Von der blauen Blume“ reflektiert historische wie auch zukunftsgerichtete Aspekte der Leinengewinnung. In aufeinanderfolgenden Arbeitsschritten werden die landwirtschaftliche Kultivierung der Pflanze, die Fasergewinnung und ihre handwerkliche Verarbeitung vollzogen. Die Ernten aus acht europäischen Regionen werden mit der Hand versponnen und von Hand zu einem einundzwanzig Meter langen Gewebe verarbeitet. Die Stoffbahn wird sowohl zum Dokument dieses Prozesses als auch zum poetischen Archiv ihrer Bestandteile. Wie eingeschrieben in das Gewebe erzählen die unterschiedlichen Faserqualitäten, Garnstärken und Farbnuancen Abschnitt für Abschnitt ihre Herkunftsgeschichte und prägen die archaische Textur der Stoffbahn.
Die einfachste und grundsätzlichste Webtechnik, die Leinwandbindung, wird zum Medium und Träger dieser Erzählung.
Der komplexe handwerkliche, ökologische und kulturelle Ansatz des Projektes, das sich in einem ausdrucksstarken Gewebe von größter Schlichtheit, perfekter Einfachheit und sinnlicher Ästhetik manifestiert, überzeugte die Jury.
